Ausbildung zum Volljuristen in Hamburg
Tätigkeit als medizinische Hilfskraft im Nachtdienst auf der Neurochirurgischen Intensivstation
Wissenschaftlicher Assistent und Sektionsassistent des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Hamburg
Erste wissenschaftliche Publikationen (bis heute insgesamt 93 Veröffentlichungen)
Referent auf Fortbildungsveranstaltungen der Deutschen Richterakademie zu Themen aus dem Bereich des Medizinrechts
Teilnahme am "Anwaltlichen Notdienst in Unterbringungsverfahren nach dem Hamburgischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten" (HmbPsychKG)
Sacherveständiger des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages im Zusammenhang mit der Verabschiedung des HIV-Hilfegesetzes
Vizepräsident der Europäischen Gesellschaft für Medizinrecht
Das dunkelblonde Haar zum Seitenscheitel gekämmt, das nordisch-markante Gesicht mit den ernsten Zügen, in dem zwei helle blaue Augen blitzen, die beachtliche Körpergröße und die Art, wie er jedes seiner Worte mit Bedacht wählt. Ja, man könnte sagen, dass Matthias Teichner ungefähr dem entspricht, was sich zumindest ein Laie unter einem typischen Hamburger so vorstellt. Er andererseits scheint ein ausgesprochener Kenner zu sein, denn sofort nimmt er den österreichischen Akzent der LEGAL IMAGE-Redakteurin wahr – kein Wunder: Mindestens dreimal pro Jahr zieht es ihn in die Berge des Tuxertals in Tirol. Ohne Berge könnte der Hamburger nicht sein und so sind sie auch in seinem Büro allgegenwärtig. Und zwar nicht in Form von Akten, sondern vielmehr als Fotografie an den Wänden und als Bilder, die in unendlicher Reihe über den PC-Monitor laufen. „Der Weg zu Gott führt für mich über die Berge“, erklärt der Rechtsanwalt, als er sich hinter seinem Schreibtisch niederlässt.
Dass Teichner Rechtsanwalt wird, ist so eigentlich nicht geplant. Vielmehr schlägt sein Herz für die Medizin – weshalb zumindest sein heutiges Rechtsgebiet – das Medizinrecht – nicht weiter verwundert. Doch wie kommt ein junger Mann, der nichts lieber werden will als Arzt, schließlich zur Juristerei? „Die Wartezeit hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht“, meint Teichner. Doch erst lässt er sich davon nicht abschrecken, beginnt zur Überbrückung 1975 mit dem Jurastudium. Um trotzdem Erfahrungen im medizinischen Bereich zu sammeln, arbeitet er nebenbei auf der Intensivstation der neurochirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums als studentischer Sitzwächter. Eine Zeit, in der er lernt, mit dem Elend schwerstkranker Menschen umzugehen. Zwei Jahre vergehen, immer noch kein Studienplatz für Medizin. Er arbeitet zwischenzeitlich zusätzlich als wissenschaftlicher Assistent in der Rechtsmedizin, hilft bei Screenings von Drogentoten und bereitet wissenschaftliche Publikationen vor. Doch langsam wird Matthias Teichner klar, dass es zu lange dauert – er absolviert also das erste Staatsexamen und versucht ein letztes Mal im Jahr 1979 zum Studium der Medizin zu wechseln. Doch die offizielle Bewerbung zum Studienwechsel scheitert. Noch heute zeichnet der Gedanke daran einen nachdenklichen Ausdruck in das Gesicht des Medizinrechtlers.
Wenn ich einen Fall gewinne, kommt selten "Champagner-Laune" auf.
Schließlich wendet sich Teichner ganz der Juristerei zu. Und so stellt ihm das Schicksal die Weichen: auf einer Veranstaltung zum Thema „Patientenschutz in Deutschland“ lernt er den vortragenden Juristen Dr. Bernhard Giese aus Tübingen kennen, der auf die Opfervertretung spezialisiert ist. Teichner geht in der Pause auf ihn zu und bittet um eine Referendariatsstelle – und siehe da: Es klappt. Er arbeitet von August bis November 1983 zwar in einer anderen Kanzlei in Stuttgart, wohnt jedoch bei Dr. Giese und bekommt so Einblick in dessen Arbeit. Schließlich absolviert Teichner 1985 das zweite Staatsexamen und macht sich als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Medizinrecht in Hamburg selbstständig.
Besonders prägend für den weiteren beruflichen Werdegang ist für Matthias Teichner ein Tag im Jahr 1983. Er trifft sich mit zwei befreundeten Anästhesisten; sie informieren ihn über eine schwere Viruskrankheit, von der in einigen amerikanischen Berichten die Rede ist und die vorwiegend bei Hämophilie-Patienten und Homosexuellen auftritt. Noch sei dieses Virus jedoch nicht identifiziert. Man wisse nur, dass es durch Blut und Sperma übertragen werde. Teichner wird hellhörig und befasst sich ab diesem Zeitpunkt intensiv mit dem Virus. In den kommenden Jahren verfasst er mehrere Aufsätze, ist einer der Ersten, die sich mit dem Thema HIV juristisch auseinandersetzen.
Im Jahr 1985 schließlich übernimmt er den Fall dreier Brüder, die allesamt an Hämophilie, auch bekannt als Bluterkrankheit, leiden. Die verheirateten Familienväter werden durch die Medikamente zur Behandlung ihrer Krankheit – Rohstoff für diese Medikamente, die den fehlenden bzw. defekten Faktor substituieren und den Patienten vor dem Verbluten schützen sollen, ist Plasma – mit dem HI-Virus infiziert. Hätten die Ärzte in jenem Institut für Hämophilie, in dem insgesamt vier Brüder behandelt wurden, 1983, spätestens aber 1985, nicht bereits über die Gefahren der Ansteckung Bescheid wissen und die Patienten aufklären müssen? Vielmehr erklärt der betreuende Arzt 1985 auf Nachfrage der Brüder, ob sie denn auf diesen HI-Virus getestet wurden, es habe sich herausgestellt, dass drei der vier Brüder „positiv“ sind: „Macht euch keine Sorgen – der HIV-Test ist ein Antikörpertest und selbst wenn Antikörper im Blut gefunden werden, steht derjenige, der welche hat – und damit „positiv“ ist –, besser da gegenüber demjenigen, der keine hat.“ Diese Aussage lässt Teichner noch heute mit dem Kopf schütteln, sollte doch zumindest die Ärzteschaft zu diesem Zeitpunkt schon gewusst haben, was das Ergebnis „HIV-positiv“ tatsächlich bedeutet.
Der Weg zu Gott führt für mich über die Berge.
Er rät den drei Brüdern zu einer Klage auf Schmerzensgeld. Doch die Brüder haben zu dieser Zeit, in der das Virus durch Unwissenheit gemeinhin als Schwulenvirus gilt, Angst, in die Öffentlichkeit zu gehen – vor allem wegen ihrer Familien. So nehmen sie schließlich, entgegen dem Rat Teichners, die von der Pharmaindustrie und deren Versicherer angebotene Regulierungsabfindung in Höhe von 70.000 DM an.
In späteren Jahren bringt Teichner gemeinsam mit dem neuen Vorsitzenden des Hämophilie-Verbandes das Thema erneut in die Öffentlichkeit – die Politik wird durch die vielen Betroffenen hellhörig, ein Untersuchungsausschuss wird eingeschaltet. Schließlich kommt es zur Nachbesserung der Schadensregulierung durch die Gründung einer millionenschweren Stiftung für die Opfer.
Und auch der nächste Fall lässt die Emotionen bei Matthias Teichner hochkommen. Man merkt, dass er jeden seiner Fälle nicht einfach nur rechtlich betreut, sondern vielmehr mit voller Empathie. So beschließt seine heutige Mandantin eines Tages, wieder einmal zur Blutspende zu gehen. Sie wird am linken Arm punktiert, doch das Blut will nicht fließen. Man versucht es noch einige Male – ohne Erfolg. Die Frau macht während der Prozedur darauf aufmerksam, dass das Punktieren schmerzt. Doch schließlich erhält sie nur einen Druckverband und wird nach Hause geschickt. Als die Schmerzen in der Hand nicht verschwinden, sucht die Frau einen Arzt auf. Die erschütternde Diagnose: Nervenschaden. Sie wird darüber informiert, dass sie als Blutspenderin, wie dies auch bei Ersthelfern der Fall ist, automatisch unfallversichert sei und mit der etwaigen Zahlung einer geringen Verletztenrente sämtliche zivilrechtlichen Ansprüche abgegolten seien. Die Frau ist verzweifelt – die Summe reicht nicht. Der Nervenschaden führt sogar so weit, dass sie ihren Beruf als Schneiderin nicht mehr ausüben kann. Teichner verklagt das Rote Kreuz auf Schadenersatz – schließlich kann er nicht nachvollziehen, warum jemand, der Blut spendet und damit einen Dienst an der Allgemeinheit leistet, weniger Rechte auf Schadenersatz haben soll als jeder andere. Heute, sieben Jahre, unzählige Gutachten und Gegengutachten später, steht die Frau immer noch ohne Schadenersatz da. Hier ist nach Teichners Ansicht eindeutig der Gesetzgeber gefragt, schließlich muss man sich sonst zweimal überlegen, ob man zur Blutspende geht, oder lieber nicht.
Teichner wirkt ein wenig melancholisch, wie er hinter seinem Schreibtisch sitzt und von seinen Fällen berichtet. Kein Wunder, er hat täglich mit Schicksalen zu tun, die er nach Feierabend nicht so einfach und so schnell abschütteln kann. Manchmal wünscht er sich schon, Erfolge feiern zu können. Doch wenn er einen Fall gewinnt, kommt selten „Champagner-Laune“ auf, zu eng sind menschliche Tragödien damit verbunden. Dennoch versucht Teichner, seinen Kopf freizubekommen, indem er mit dem Fahrrad durch den Stadtpark radelt. Oder über die Berge im Tuxertal in Tirol seinen Weg zu Gott sucht – mehrmals im Jahr gemeinsam mit Freunden und seiner Familie. „Hier tanke ich wirklich auf“, erklärt Matthias Teichner. Und wie sehr die Berge Teichners Leben beeinflussen, zeigt sich auch bei seiner Antwort auf die Frage nach seinem beruflichen Motto – er sieht sich selbst als eine Art Bergführer für seine Mandanten: Zu Beginn schätzt er ein, ob es überhaupt eine Chance gibt, den Gipfel, also das Ziel, zu erreichen. Und wenn auf dem Weg Gefahren auftauchen, bringt er seinen Mandanten sicher zurück – denn mit Gewalt auf den Gipfel zu drängen, kann bekanntlich selbst erfahrenen Alpinisten zum Verhängnis werden.
Die lange Verfahrensdauer ist belastend und unbefriedigend, sowohl für den Rechtsuchenden als auch für seinen Rechtsbeistand. Spät zugesprochenes Recht wird vom Mandanten nicht mehr als solches empfunden und wahrgenommen.
Das Gesetz, das die flächendeckende Versicherungspflicht im Haftpflichtbereich der Ärzte regelt. Es reicht nicht aus, dass die Ärzte, wie bisher, lediglich vom Berufsrecht her gehalten sind, im Hinblick auf ihre berufliche Betätigung eine Haftpflichtversicherunge abzuschließen.
Dass Berufungsgerichte mit § 522 ZPO das Recht erhalten haben, eine Berufung ohne mündliche Verhandlung mit einem nicht anfechtbaren Beschluss zurückzuweisen, ist ein Unding und stellt eine Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit dar. Es verleiht den Richtern sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz zu viel Macht - Macht, die auch missbraucht werden kann. So manches - für meine Mandanten (sic!) - halbwegs gerechte Ergebnis habe ich in meiner 25jährigen Berufstätigkeit erst in der Berufungsinstanz erreicht. Dies ist jetzt leider häufig nicht mehr möglich.