814 Heitsch, Zur Vorauswahl der Insolvenzverwalter ZlnsO 17 /2022 Blick unscheinbare Abweichungen vom ,,Normalfall" lassen mitunter zunächst unvermutete Schwierigkeiten entstehen. Diverse Konstellationen von Doppelinsolvenzen der Versiche­ rungsnehmerin (Firma) und der versicherten Person (Geschäfts­ leiter) entwickeln stets neue Sonderkonstellationen. Sei es, dass der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Geschäftsfüh­ rers eine angemeldete Forderung ohne Rücksprache mit der D&O-Versicherung nicht bestreitet und die Feststellung erfolgt. Sei es, dass die Frage der Massezugehörigkeit von Freistel­ lungsansprüchen zunächst aufwändig diskutiert werden muss. Doch auch ohne Doppelinsolvenz stellen sich vielfache Fra­ gen für den Insolvenzverwalter der Versicherungsnehmerin: Ist eine Direktklage nach erfolgter Abtretung von Freistel­ lungsansprüchen durch den Geschäftsführer möglich oder folgt man dem klassischen Weg von Haftungsklage, dann De­ ckungsklage? Hat eine Forderungsabtretung womöglich nach­ teilige Auswirkungen auf etwaige Beweislastverteilungen? Und nicht zuletzt erfordern die Einwendungen der wissentli­ chen Pflichtverletzung seitens der D&O-Versicherer, welche eine Leistungsfreiheit begründen, Kenntnisse der aktuellsten Rechtsprechung. Hinzu kommen weitere Spannungs- und Problemfelder, wie z.B. die Behandlung von in den Versicherungsverträgen ent- haltenen Schiedsklauseln. Auch die Frage, ob die Fortsetzung von Prärnienzahlungen oder das Beendigen bzw. der Nichtein­ tritt in den Versicherungsvertrag für etwaige Anspruchsverfol­ gungen am vorteilhaftesten ist, verdient noch eingehendere, separate Betrachtung. So könnten mehrere, unterschiedliche Schadensereignisse (z.B. § 43 GmbHG und § 15b GmbHG) womöglich dazu führen, dass es aufgrund des Claims-Made­ Prinzips vorteilhafter ist, die Versicherungsprämie weiter zu zahlen und im Versicherungsjahr 1 den einen Anspruch anzu­ melden und im Versicherungsjahr 2 dann den anderen An­ spruch. Denn die Versicherungssumme steht jedes Jahr aufs Neue zur Verfügung. Der verständige Insolvenzverwalter kommt - das wird deut­ lich - vielfach um professionelle Beratung kaum herum, steckt der Teufel doch stets im Detail des Einzelfalls. Schließlich stehen auf der anderen Seite Versicherer mit hoch spezialisierten Partnerkanzleien, die im Grundsatz oft davon auszugehen scheinen, dass eine Deckung gegenüber einem In­ solvenzverwalter zunächst kaum besteht. Diese Haltung kann auch daran liegen, dass in der Vergangenheit immer wieder deutlich überzogene und kaum substanziierte Ansprüche er­ hoben werden, nur um „Verhandlungsmasse" gegenüber der Versicherung aufzubauen. Das Thema D&O und Insolvenz wird daher wohl auch in den Folgejahren noch die Oberge­ richte und auch den BGH beschäftigen. Zwischenruf aus der Praxis Zur Vorauswahl der Insolvenzverwalter von Dr. Joachim Heitsch, Berlin/Hannover/Kassel' Der Beschluss des BGH v. 13.1.2022 - IX AR (VZ) 1/20, ZinsO 2022, 294 zum auch vom AG Berlin-Charlottenburg angewandten Hannoveraner Modell hat insoweit ein weitge­hend übereinstimmendes Echo ausgelöst, als verschiedene Autoren ungeachtet des „nunmehr zu konstatierenden Schei­terns dieses aufwendigen Systems"1 ein Resümee dahin ge­hend ziehen, der BGH habe die Tür für Qualitätskontrolle ge­öffnet und nicht etwa geschlossen.2 Das Problem beginnt mit dem dehnbaren § 56 Abs. 1 InsO, weshalb nach Thole das „ Vorauswahlunwesen dringend durch klare gesetzgeberische Vorgaben zu bereinigen" sei. 3 Der Ver­fasser möchte nur zu gerne glauben, dass die Berufsrechtsdis­kussion bzgl. der Frage der Einführung einer bundesweiten Vorauswahl-Liste wieder aufgenommen wird. Qualitätskont­rolle Eine (bundesweite) Vorauswahl-Liste wäre allerdings nur dann ein Erfolg, wenn sie signifikante Auswirkungen auf die tatsächliche Bestellpraxis der Insol­venzrichter hätte. Die Insolvenzgerichte Berlin und Kassel ha­ben hier Pionierarbeit insoweit geleistet, als überhaupt einmal unerlässlich.4 ist unternommen wurde, Resultate der Versuch der Verwalter­arbeit zur Grundlage der Verwalterbestellung zu machen. Die­ser Zwischenruf ist nun nicht der rechte Ort, Details einer zu­künftigen Vorauswahl-Liste zu erörtern. Allerdings soll einmal anekdotisch dargelegt werden, welche Haltung zu Verwalterkennzahlen an den Tag legen kann: Insolvenzrichter einzelner ein Der Autor dieses Beitrages steht seit Oktober 2009 auf der Vorauswahl-Liste des Insolvenzgerichts P, vor welchem er sei­nerzeit ein Bewerbungsverfahren durchlief, in dessen Folge Richter Dr. G mit ein Bewerbungsgespräch * dem Verfasser Der Verfasser ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner der überörtli­ chen Rechtsanwaltssozietät Kühne), Rosenmüller und Kollegen. Vgl. Frind, ZlnsO 2022, 333 ff., 333. So explizit Frind, Zlnsü 2022, 337; Haarmeyer, Zlnsü 2022, 437; ebenso Rombach, ZlnsO 2022, 5 80 ff. Thole, AnwBI Online 2021, 111ff.,115. Vgl. Zur Qualitätsdiskussion bereits seinerzeit Rosenmüller/Heitsch, ZinsO 2013, 754 ff. 1 2 3 4